Monatsspruch für November 2022

Monatsspruch für November 2022

Monatsspruch für November 2022

# Neuigkeiten aus der Gemeinde

Monatsspruch für November 2022

Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen! (Jes 5,20)



Fake News! „Nach dem Brexit kann das Vereinigte Königreich wöchentlich 350 Millionen Pfund in sein Gesundheitssystem stecken.“ „Joe Biden ist lediglich durch Wahlbetrug US-Präsident geworden, eigentlich hat Donald Trump die Wahl 2020 gewonnen.“ – „Russland führt in der Ukraine keinen Angriffskrieg, sondern führt lediglich eine militärische Spezialoperation durch.“ Drei Beispiele für nicht belegte und offensichtlich falsche Aussagen, die verbreitet wurden und werden, um Anhänger zu mobilisieren und Gegner zu diffamieren.

Seit einigen Jahren hat sich für diese Taktik der englische Begriff „Fake News“ durchgesetzt. Medien- und politikwissenschaftlichen Analysten schreiben den sozialen Netzwerken eine entscheidende Rolle dabei zu, dass dieses Phänomen auch in offenen und demokratischen Gesellschaften Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen kann. Denn diese Netzwerke erlauben es, ungeprüfte und nicht journalistisch aufgearbeitete Meldungen millionenfach zu verbreiten. Und sie sorgen dafür, dass diese Nutzer sich schnell in sogenannten Filterblasen befinden, in denen Sie nur noch Nachrichten erhalten, die zu ihrem jeweiligen politischen und sozialen Milieu passen – unabhängig vom Wahrheitsgehalt.

Dass die Taktik der bewussten Falschinformation wesentlich älter ist als jene sozialen Netzwerke, zeigt der Monatsspruch für den November 2022. Er steht im ersten Teil des Jesaja-Buches, in dem der Prophet die Verfehlungen des Volkes Israel gegenüber Gottes Geboten beklagt. Seine Kritik richtet sich insbesondere an die herrschenden Eliten. Nachdem er deren Habgier und ausufernden Lebensstil beklagt, benennt er eben auch Ihr Verhältnis zur Wahrheit („Wehe denen, die das Unrecht herbeiziehen mit Stricken der Lüge“ Jes. 5, 18). Die, die Böses Gut nennen, müssen nach dem Wort Jesajas Gottes Zorn fürchten.

Diese Worte – vor mehr als 2500 Jahren aufgeschrieben – mahnen uns auch heute. Als Christen sind wir aufgerufen, die offensichtlich politische Lüge zu benennen. Teile unserer Kirche haben diese Mahnung in der Zeit des Nationalsozialismus nicht befolgt und haben die Lügen und die Hetze des Regimes von den Kanzeln gepredigt. Das darf uns nie wieder passieren.

Doch es gibt noch eine weitere Ebene, die uns als Kirche zum Handeln auffordert. Interessanterweise ist der Begriff Fake News erst mit und durch Donald Trump besonders populär geworden. Er hat den Spieß einfach umgedreht und hat die Nachrichten der traditionellen Medien einfach als Falschmeldungen bezeichnet, beginnend mit den (korrekten) Angaben über die geringen Besucherzahlen bei seiner Amtseinführung 2017. Dem Gegner kurzerhand Lüge zu unterstellen und sich so nicht mit seinen Argumenten auseinandersetzen zu müssen - das ist ein Verhalten, dass sich leider nicht mehr nur auf Populisten und Autokraten beschränkt. Und auch hier leisten die benannten Filterblasen ihren Beitrag: Wer fast ausschließlich Meldungen erhält, die den eigenen Standpunkt bestärken, erklärt die wenigen anderen schnell zu offensichtlichen Lügen.

Dabei sind doch Meinungsvielfalt und das Ringen um Argumente gerade Wesensmerkmale einer freien Gesellschaft. Miteinander diskutieren, die Meinung des anderen hören, dagegen argumentieren oder sich selbst korrigieren – das ist es was unser Gesellschaftmodell ausmacht – das ist es was wir gegen autokratische Tendenzen verteidigen. Unser Auftrag ist also zum einen die Lüge zu erkennen und zu benennen, aber zum anderen auch, die legitime andere Schlussfolgerung des anderen als solche zu erkennen und zu akzeptieren.

 

Die Kirchen, die Gemeinden vor Ort – also wir – können einen wichtigen Beitrag leisten, den Dialog über Milieugrenzen hinweg aufrecht zu erhalten. Denn Kirchengemeinden gehören zu den seltenen Orten, in denen Menschen zusammenfinden und ins Gespräch kommen, obwohl sie aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten kommen, obwohl sie ganz unterschiedliche politische Ansichten haben, obwohl sie zu verschieden Genrationen gehören. Wir sollten diese Vielfalt nutzen und als gesellschaftspolitischen Auftrag annehmen.

Timo Wolff

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