Monatsspruch für Juli 2023

Monatsspruch für Juli 2023

Monatsspruch für Juli 2023

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Monatsspruch für Juli 2023

Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet. (Mt 5,44-45 (E))

Bei der Bergpredigt fallen den meisten Menschen zunächst die Seligpreisungen ein. Sie sind Quelle unzähliger Tauf-, Konfirmations- und Trauungssprüche und gelten vielen als einer der poetischsten Abschnitte der Bibel. Aber der Hauptteil dieser Predigt sind wohl die so genannten Antithesen, in denen Jesus jeweils einem alttestamentarischen Gebot eine Verschärfung – oder nach anderer Lesart eine Präzisierung gegenüberstellt. Diese Anti-Thesen sind keine Poesie, sie sind Provokation und Zumutung! Und die größte Zumutung sind wohl die beiden letzten: Statt Mäßigung bei der Vergeltung – (nur ein) „Auge um Auge“ - sollen wir uns gar nicht wehren und die andere Wange hinhalten, wenn wir geschlagen werden. Und schließlich folgt auf die These: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen“ der Aufruf zur Feindesliebe, Monatsspruch für den Juli 2023.

Die Bergpredigt bei Matthäus hat mit der „Feldrede“ eine inhaltliche Entsprechung bei Lukas (Lk 6,20–49). Die moderne Bibelforschung geht mehrheitlich davon aus, dass diese und andere Übereinstimmungen bei den beiden Evangelisten mit einer gemeinsamen, nicht erhaltenen Quelle von Jesus-Worten zu erklären ist, die beiden Autoren zur Verfügung gestanden haben muss. Diese sogenannte Logienquelle Q ist vermutlich bereits kurz nach der Hinrichtung Jesu verfasst worden. Demnach handelt es sich auch nach historisch-kritischer Bibelauslegung hierbei um einen gut überlieferten Kern der Lehre Jesu.

Wie unter einem Brennglas ist die Botschaft des Mannes aus Nazareth hier gebündelt. Wenigstens drei Aspekte lese ich allein aus der Antithese der Feindesliebe:

  • Warnung vor frommer Überheblichkeit: Ihr glaubt, Gottes Gebot sei erfüllt, wenn ihr euch nahestehende Personen liebt, warnt Jesus uns. Das sei aber sehr einfach und würde Gottes Willen nicht im Geringsten abbilden. Es ist also eine Mahnung an uns als christliche Gemeinschaft, dass wir uns vor Selbstgerechtigkeit in Acht nehmen und stets prüfen sollen, ob unser Verständnis von Liebe und Barmherzigkeit nicht zu engstirnig gedacht ist. Eine Mahnung, die sich in vielen Gleichnissen wiederfindet.
  • Für Jesus umfasst das Liebes- und Fürsorgegebot alle Menschen und eben nicht nur die eigene soziale Gruppe. Das berühmteste Beispiel außerhalb der Bergpredigt ist wohl das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Wir können annehmen, dass diese Überwindung der eigenen Gruppenbarriere bei Jesus auch verantwortlich war für den Entschluss des Paulus, dass die frohe Botschaft nicht nur dem Volk Israel gilt, sondern allen Völkern. Erst die Feindesliebe hat das Christentum in die Welt getragen.
  • Schließlich lesen wir hier von einer bedingungslosen Liebe, die selbst jenen gilt, die mir schlechtes wollen. Zusammen mit der vorausgegangenen Antithese, die die Rache und vielleicht sogar die Selbstverteidigung verbietet, fällt es schwer, dies nicht als grundsätzlichen Aufruf zum Gewaltverzicht zu lesen. Das überlieferte Verhalten Jesu bei seiner späteren Verhaftung und Hinrichtung unterstützen diese Sichtweise.

Dieser scheinbar(?) fundamentale Pazifismus, den man hier herauslesen kann, forderte die Christen spätestens ab dem Zeitpunkt heraus, an dem ihre Religion akzeptiert oder gar Staatsreligion geworden war. Bis zur Konstantinischen Wende lehnten Christen jegliche Form des Militärdienstes strikt ab, zwei Jahre danach drohte eine Synode jedem, der dem Kaiser Militärdienst verweigerte, Exkommunikation an. Unter anderem Augustin und Luther machten bekannte Versuche, die Gewaltlosigkeit Jesu mit praktischem politischem Handeln in Übereinstimmung zu bringen.

Und auch heute ringt unsere Kirche, wie wir an den Debatten um die Waffenlieferungen in die Ukraine merken. Was mache ich, wenn nicht mir auf die eine Wange geschlagen wird, sondern meinem Nachbarn? Kann ich zur Feindesliebe aufrufen, wenn der „Feind“ rücksichtlos Städte beschießt, Kinder entführt und einen Abnutzungskrieg vorantreibt? Mache ich mich so nicht anderweitig schuldig? Oder ist die reine Lehre so einfach wie wahr, dass jede gelieferte Waffe das Töten verlängert und die Feindesliebe unmöglich macht? Es gibt dazu keine einfachen Antworten, aber ich bin froh in einer Kirche zu sein, die öffentlich damit ringt und unterschiedlichen Überzeugungen in dieser Frage Raum lässt.

Timo Wolff

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