Das Gebet, oder …

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Das Gebet, oder …

Die Zuversicht auf einen Gott, der da ist

König David tat es mit den Psalmen des Alten Testaments und Jesus Christus mit dem Vater Unser in der Bergpredigt – beten. Aber was ist das überhaupt dieses Beten?

Schaut man in die Urtexte des Christentums, die hebräischen Texte des Alten Israel und begibt sich auf die Suche nach diesem Beten, dann wird man schnell feststellen, dass es für diesen deutschen Begriff keine rechte Entsprechung gibt. Das Hebräische spricht viel mehr an dieser Stelle von Gott suchen, mit Gott sprechen. Und was für ein Bild von einem Gott haben wir, wenn wir beten? Wie ist dieser Gott, dem wir im Gebet begegnen?

Indem wir beten, wird Gott für uns zu einem hörenden Gott, zu einem Gott, der da ist, zu einem Gegenüber, mit dem man sprechen kann. Im Gebet wendet Gott uns sein Ohr zu, nimmt uns und das, was uns bewegt, wahr und schafft einen Raum, in dem wir reden, schweigen und suchen können – frei von der Angst, etwas falsch zu machen und frei von der Sorge, dass Gott uns vielleicht nicht versteht. Das Gebet ist der Ort, an dem wir Gott und seine Barmherzigkeit loben können.

Das Gebet ist der Ort, an dem wir über Probleme klagen und über Verluste trauern können. Das Gebet ist der Ort, an dem wir uns in Freude, in Not, in Dank und in Bedrängnis an den Vater, an den Sohn und an den Heiligen Geist wenden können. Kurzum: im Gebet können wir alles, was uns bewegt, uns freut und belastet vor Gott bringen, der uns mit Wertschätzung begegnet und uns in alledem annimmt.

Und so vielfältig die Anlässe zu beten sein können, so vielfältig kann auch die Art und Weise sein, in der wir beten. Ob im Gottesdienst im Fürbitten-Gebet, bei Tisch vor dem Abendessen, gemeinsam mit Kindern vor dem Zubettgehen, in der Stille beim Entzünden einer Kerze, beim Stoßgebet in der Bahn auf dem Weg in die Universität oder in Meditation versunken – Möglichkeiten, Gott im Gebet zu begegnen, gibt es viele.

Ob wir in Gemeinschaft beten oder allein, laut und deutlich oder in Stille, ausformuliert und rhetorisch gekonnt oder stammelnd und frei aus dem Bauch heraus – all das ändert nichts an der Qualität eines Gebets. Der Kern eines Gebets ist das Innehalten und die Besinnung auf Gott.

Aber vielen fällt das Gebet dann doch gar nicht so leicht, Zweifel an der Wirksamkeit eines Gebets machen sich breit und wir stellen uns die Frage, ob da überhaupt ein Gott ist, der uns hört. Wie jeder Glaube und jedes Hoffen ist auch das Gebet, dieses andere Innehalten, immer wieder mit Zweifeln und Fragen konfrontiert. Die Lippen können wie versiegelt scheinen, Worte des Lobes wollen einem nicht so recht einfallen, für die Klage über Leid und Not fehlt einem die Kraft und für das Gebet dann vielleicht doch der Glaube.

Der katholische Theologe Karl Rahner kannte diesen Zweifel, diese Ungewissheit gut und erkannte das Gebet für sich als das, was es manchmal vielleicht ist – eine Herausforderung. Und doch betete er immer wieder, denn für ihn stand fest: er betete nicht, weil er glaubte – er glaubte, weil er betete. Vielleicht entspringt das Gebet eben nicht immer aus Glauben, vielleicht führt es uns viel mehr zum Glauben, vielleicht ist es Grundstein des Glaubens und kann uns in diesem bestärken.

Über diesen Grundstein des Glaubens sagte Karl Rahner einmal: „Solange die Hände gefaltet bleiben, gefaltet bleiben auch im entsetzlichsten Untergang, solange umgibt uns – unsichtbar und geheimnisvoll, aber wahrhaftig – die Huld und das Leben Gottes und alle Abstürze in das Entsetzen und in den Tod sind nur ein Fallen in die Abgründe der ewigen Liebe.“

Das ist das große Geheimnis des Gebets, das ist die Hoffnung, die wir haben dürfen und das ist die Zuversicht, die uns das Gebet schenkt – die Zuversicht auf einen Gott, der da ist, auf eine ewige Liebe, in die wir uns fallen lassen dürfen und auf das Leben und die Huld Gottes, die schützend ihre Hand über uns halten. Und dafür bleiben die Hände gefaltet, dafür schließen wir bei allem Zweifel die Augen und halten inne, dafür besinnen wir uns bei allen Fragen auf Gott und gehen den Weg des Gebets zu – das kann unsere Gewissheit sein – Gott, der da ist, der uns hört und der uns annimmt.

Markus Sachse

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