Zweifel und Zuversicht

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Zweifel und Zuversicht

Gedanken zur Auferstehung

Osternacht. Der Wecker klingelt in aller Herrgottsfrühe, ich wische mir den Schlaf aus den Augen, trinke schnell einen Schluck Kaffee, ziehe den dunkelgrauen Anzug an und schlüpfe durch die Wohnungstür hinaus in die klare, kalte Berliner Frühlingsnacht. Den kurzen Weg zur Hochmeisterkirche am Ende der Straße, in der ich aufgewachsen bin, gehe ich eilenden Schrittes und werde vom Kirchdienst mit einem Gottesdienstablauf und einer Kerze ausgestattet, bevor ich den Kirchraum betrete.

Im Kirchraum dann, der von der Hauptstadtnacht und den Morgenstunden in Dunkelheit und Stille gehüllt ist, wird es in mir ruhig und die Aufbruchsstimmung des Ostermorgens ist allseits spürbar. Das himmelschreiende Schweigen des Karfreitags klingt noch in meinen Ohren und der Sühnetod am Kreuz steckt mir noch in den Knochen und plötzlich tönt es von der Empore: „Christus ist das Licht – Gott sei ewig Dank!“

Und während das Licht der Osterkerze den dunklen Kirchraum flackernd erhellt, wird das schwere, schwarze Samttuch, das den Tisch des Herrn karfreitäglich verhüllte, vom Altar gestoßen und das goldene Kreuz als Triumphzeichen des Lebens und der Auferstehung findet seinen Platz an altgewohntem Ort. Ostersonntag. Auferstehungsfest.

Kaum zu glauben eigentlich – diese Auferstehung. Wie soll das gewesen sein? Wie soll jemand, der am Kreuz zu Tode gefoltert und tagelang in einer Grabkammer gelegen hat auferstehen? Und wie genau ist das mit der leiblichen Auferstehung eigentlich gemeint? Kann diese Botschaft heutigen medizinischen Kenntnissen überhaupt standhalten? Mehr Fragen als Antworten am Ostermorgen, wie es scheint.

Wer das mit der Auferstehung nicht so recht glauben kann, wer vielleicht immer wieder darauf hofft, dass der Tod nicht das letzte Wort hat und dann doch viel öfter zweifelt, ob das alles so seine Richtigkeit haben kann, wer den Auferstandenen erst erkennen würde, wenn er schon längst vorüber gegangen ist oder wer den Auferstandenen vielleicht als allererstes sieht, der darf sich in bester, biblischer Gesellschaft wissen.

Ob wir den Lebenden nun bei den Toten suchen, wie die Frauen, die Jesu Leib mit wohlriechenden Ölen und Salben salben wollten, die das Grab offen finden und denen von zwei Männern in glänzenden Gewändern Jesu Auferstehung verkündigt wird und die fortan die ersten Zeuginnen der Auferstehung sein werden.

Ob wir unseren Finger erst ungläubig in die Seitenwunde Jesu legen und die Nägelmale in seinen Händen sehen müssen, um begreifen zu können, was da an den Tagen von Karfreitag bis Ostermontag geschehen ist, wie der ungläubige Thomas.

Ob wir den Auferstandenen, mit dem wir schon eine Weile gemeinsam gegangen sind und der uns die Schrift ausgelegt hat, erst beim abendlichen Mahl erkennen und es uns wie Schuppen von den Augen fällt, wie den Jüngern von Emmaus.

In all dem – im Zweifeln, Fragen, Wundern, Hoffen, Nicht-Glauben und Staunen angesichts des Geheimnisses des Ostermorgens, des Skandals des Karfreitags, des Unglaublichen der Auferstehung sind wir den Menschen aus Jesu Lebenswelt, sind wir seinen Wegbegleitern sehr nah. Ihnen, die Jesu Leben und Sterben begleiteten und die zu Auferstehungszeugen wurden und die seitdem von Jesu Botschaft und seiner Auferstehung erzählten, auf dass alle Menschen zu Hörern der guten Nachricht, zu Auferstehungszeugen werden.

Und an einem Donnerstag vor drei Jahren im September durfte ich auch Auferstehungszeuge werden. An dem Tag, an dem wir meinen geliebten Großvater beerdigt und ihm im Kreis von Familie und Freunden auf dem Friedhof in Frohnau das letzte Geleit gegeben haben.

In der Trauer um und im Schmerz über den Verlust meines Großvaters waren Fragen, Fassungslosigkeit und Zweifel. Aber während wir in der Friedhofskapelle Bonhoeffers Verse aus der Gestapo-Haft von dem schweren, bitteren Kelch des Leids, der bis an den Rand gefüllt ist und den wir dankbar und ohne Zittern aus Gottes guter und geliebter Hand nehmen, sangen, machte sich in mir plötzlich himmlischer Friede breit, aus dem ich seither lebe.

Frieden, weil der Tod meines Großvaters nicht das Ende allen Lebens, sondern der Übergang in Gottes Ewigkeit ist, in der ich ihn geborgen wissen darf, Frieden, weil der Tod durch die Auferstehung und die Hoffnung auf ein ewiges Leben seinen Schrecken verloren hat und Frieden, weil ich weiß, dass ich mit meinem Großvater am Ende aller Zeit bei Gott vereint sein werde. Frieden, den ich an jedem Ostermorgen in unserer Hochmeisterkirche neu schöpfe.

Dass Sie auch Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung sein können – das wünsche ich Ihnen. Ob die Auferstehung nun mit Fanfaren, Trompeten und Wolkenspektakel daherkommt, wie es der Apostel Paulus an einer Stelle schreibt, ob sie sich in den Texten und Melodien unseres Gesangbuchs in einer kleinen Friedhofskapelle am Rande von Berlin entfaltet und wahr wird oder ob Sie die Auferstehung im Kleinen entdecken – im Kleinen, wo nach jedem Ende ein Anfang, nach allem Alten ein Neues, nach jedem Tod wieder Leben und nach jeder Nacht ein Morgen ist.

Markus Sachse

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